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Eintrag vom 4. Mai 2013

Wenn Sicherheitsbehörden von einem "guten Tag für die Strafverfolgung" sprechen, gibt es allen Grund, um hellhörig zu sein. So wie gestern, am internationalen "Tag der Pressefreiheit" - ein Thema, bei dem wir uns derzeit ja nicht unbedingt mit Ruhm bekleckern.
Nun, seit gestern haben wir einen Grund mehr, uns zu schämen: der Bundesrat hat nämlich, trotzt Warnungen und massiver Bedenken, den nächsten Meilenstein auf dem Weg zum Überwachungsstaat verabschiedet und das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft durchgewunken.
Das Gesetz wird voraussichtlich zum 1. Juli 2013 in Kraft treten, da der Bundespräsident die Unterzeichnung nur eingeschränkt verweigern kann - mal abgesehen davon, dass ich Herrn Gauck, bei allem Respekt, nicht das Rückgrat zutraue, sich gegen die Bundesmutti zu stellen.

Bald ist es den Ermittlungsbehörden somit ohne größeren Aufwand möglich, selbst bei kleinen Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. Falschparken, die Provider von DSL-, Telefon- und Mobilfunkanschlüssen zur Herausgabe von Daten zum Anschlusseigentümer zu verpflichten. Da spielt es für die Länderkammer auch keine Rolle, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.
Die "einfache Datenauskunft" umfasst Name, Anschrift, Wohnort, Telefonnummer, Emailadressen und die IP-Nummer des Verdächtigen. Ein Nachweis zu Art und Gewichtung der unterstellten Straftat muss hierbei nicht erbracht werden. Bei Vorlage einer richterlichen Anordnung müssen auch Passwörter, PIN- und PUK-Nummern übermittelt werden - eine solche zu erhalten dürfte jedoch angesichts der Überlastung der deutschen Gerichte kein Hindernis darstellen. Die Ermittlungsbehörden erhalten dadurch vollen Zugriff auf die jeweiligen Endgeräte - zum Beispiel, um einen Trojaner zu installieren.

Dieses Gesetz ist deswegen so verheerend für unseren Rechtsstaat, da es zu einem Türöffner für weitere Maßnahmen zu werden droht und in Verbindung mit den zuletzt beschlossenen bzw. geplanten Änderungen im Telekommunikationssektor die vom Verfassungsgericht abgelehnte Datenvorratsspeicherung in aller Stille Wirklichkeit werden lässt.
Über die Bestandsdatenauskunft ist es jedem Polizeibeamten möglich, ohne Nachweis Informationen zu einer beliebigen Person abzufragen - wie es (aber das sind natürlich nur Einzelfälle...) heute auch mit der Auskunft über einen Kfz-Halter per Kennzeichen-Suche möglich ist. Durch die Umstellung des größten deutschen Internetanbieters von einer Flatrate zu einem Volumen-Internet ist die Speicherung der Verbindungsdaten "zu Abrechnungszwecken" legitimiert, so dass nun auch das Surfverhalten für den polizeilichen Datenabruf zur Verfügung steht. Hieraus einen Grund für eine richterliche Anordnung zu generieren erkennen dürfte mit etwas Kreativität "kriminalistischer Erfahrung" des Polizeibeamten kein Problem mehr sein, um auch noch Zugriff auf Passwörter und PIN-Nummer zu bekommen. Der gläserne Bürger ist damit Wirklichkeit geworden. Mehr noch - seine digitale Existenz ist auf Gedeih und Verderb der Polizei ausgeliefert.

Der Einzelne hat kaum eine Gelegenheit, sich gegen solche "Ermittlungen" zur Wehr zu setzen. Das Gesetz sieht zwar vor, dass der Betroffene nach Ende der Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird - in der Praxis wird das aber schon bei anderen Eingriffen in die Privatsphäre, wie z.B. die Telefon- oder die Wohnraumüberwachung, so gut wie nie durchgeführt.
Derzeit steht ihm noch das Recht zu, seine vom Provider vorgegebene PIN-Nummer zu ändern - was jedoch nur wenige Nutzer tatsächlich praktizieren. Die Verweigerung der Herausgabe seines Passwortes dürfte hingegen für die Polizei genau die Begründung für die Einholung einer richterlichen Anordnung liefern - dieser Bürger hat ja ganz offensichtlich etwas zu verbergen!
Gleiches gilt für die Verschlüsselung seiner Daten oder gar der ganzen Festplatte. Hier bietet sich derzeit noch die letzte Schutzmöglichkeit der Privatsphäre, denn bei einer wirksamen Chiffrierung und einem sicheren Passwort beissen sich selbst die "Spezialisten beim BKA" an Programmen wie TrueCrypt noch die Zähne aus. In den Niederlande ist man deshalb schon einen Schritt weiter - aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch unsere Sicherheitshysteriker Innenminister die gleichen Rechte einfordern - natürlich nur gegen Terroristen, Schwerstkriminelle, Kinderpornographie und, äh... ja, Falschparker natürlich!

Und wie ich schon vor zwei Monaten verausgesagt hatte, kommen jetzt tatsächlich die Rufe:
   "Und was tun eigendlich die Piraten ?!"
Nun, wir sind schon lange an dem Thema dran, aber da man offenbar ja lieber der Presse glaubt, wenn diese behauptet wir hätten kein Programm oder wären aus irgendwelche Gründen "Unwählbar", dann können wir - zumindest im Bundestag oder in den meisten Landesparlamenten - herzlich wenig gegen die "Scharfmacher" der "großen" Parteien ausrichten. Dort, wo wir vertreten sind, sitzen engagierte Leute wie z.B. Patrick Breyer, der bereits angekündigt hat, gegen das Gesetz Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben.

Bis die Bestandsdatenauskunft (wie übrigens der meisten Sicherheitsgesetze der CSPDU in den letzten Jahren) vom Verfassungsgericht wieder kassiert wird, wird es jedoch in Kraft treten - und vermutlich auch angewendet werden. Wer glaubt, davon nicht betroffen zu sein, der möge sich sein Vertrauen bewahren, die Augen schließen, weiter vor sich hin dösen und im Herbst seine "Sicherheitsminister" wählen.
Allen anderen hier im Land möge dieses Disaster ein Augenöffner sein für die anstehenden Wahlen im September. Und mehr noch würde mich freuen, wenn die Bestandsdatenauskunft den ein oder anderen dazu bringen könnte, selbst aktiv zu werden und seine demokratischen Rechte zu verteidigen.

"Es bleibt einem jeden immer noch soviel Kraft, das auszuführen, wovon er selbst überzeugt ist."

Johann Wolfgang von Goethe