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Eintrag vom 10. Dezember 2016

Die Evolutionsgeschichte unseres Planeten lehrt uns dass Arten, die sich nicht beständig weiterentwickeln, dem Untergang geweiht sind. Bestenfalls gelingt es ihnen, eine gewisse Zeit lang eine ökologische Nische zu besetzen - doch wenn sich irgendwann Rahmenbedingungen, welche sie nicht beeinflussen können zu ändern beginnen, können sie sich nicht mehr rechtzeitig anpassen... und sterben aus.
Eine stetige Veränderung ist deswegen für den Fortbestand einer Spezies zwingend erforderlich. Die Illusion, einen "Status Quo" zu erreichen, den bestehenden Zustand "einfrieren" und bewahren zu können, wird irgendwann schmerzlich mit der Realität konfrontiert werden, dass das Leben auf solche Bestrebungen keine Rücksicht nimmt. Die logische Konsequenz sollte also sein, sich stetig weiterzuentwickeln. Dies erfordert die Verarbeitung neuer Einflüsse genauso wie sich die daraus ergebende Adaptierung an neue Randparameter und die Entwicklung neuer Strategien. Die Spezies verändert sich, Altes weicht Neuem oder geht ineinander über.

Diese Vorstellung macht so manchem politischen "Dinosaurier" anscheinend große Angst. Man will einer möglichen Veränderung deswegen dahingehend "vorbeugen" indem man beschliesst per Gesetz festzulegen, dass sich alles Neue und Fremde gefälligst dem alten, bestehenden Zustand anzupassen hat - quasi an eine "Leitkultur". Es soll alles so bleiben wie es schon immer war!
Mit der beruhigenden Gewissheit der Mehrheit wurde deswegen von der CSU ein neues bayerisches "Integrationsgesetz" beschlossen, welches genau dieses Prinzip zementieren soll: Einwanderer oder (schlimmer noch!) Flüchtlinge sollen, sobald sie den geheiligten bayerischen Boden betreten wollen, ihre Kultur bitteschön in die Restmülltonne auf dem Wertstoffhof werfen und sich anschließen an die hiesigen Traditionen angleichen! Vielfalt durch Gleichmacherei, so wie es das Motto der bayerischen Staatsregierung seit jeher gewesen ist.

Dass die so vehement eingeforderte "Leitkultur", welche als Leitlinie für die Assimilierung von neu hinzugezogenen Menschen dienen soll, in keinster Weise definiert ist hält die Spitzen der "Christsozialen" nicht davon ab, genau auf die Einhaltung derselben Werte zu bestehen. Im Zweifel gilt halt als "Leitkultur" dass, wass der bayerische Ministerpräsident, sein Heimatminister oder die Parteispitze der CSU als solche bestimmen. Und das muss eingehalten werden.
Deswegen wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzestextes darauf geachtet, dass möglichst viel "Fordern" den Vorrang vor möglichst wenig "Fördern" (die Kosten, Sie wissen schon...) erhält. Das Grundrecht (und das steht über irgendwelchen kulturellen Leitlinien!) auf Gleichbehandlung muss davor eben zurückweichen.
Wer im Deutschkurs schlechte Noten bekommt, muss nachträglich die Kosten übernehmen - keine Bange, Bewerber beim BKA bleiben davon ausgenommen. Wenn ein Deutscher seine Frau oder seine Kinder schlägt, kriegt er eine Anzeige - ein Ausländer wird zusätzlich noch zum Idiotentest Nachsitzen in einem "Grundwertekurs" verdonnert. Und wer sich nicht schnell genug gemäß der staatlichen Vorstellungen der "Leitkultur" assimilieren lässt, den schieben wir halt wieder ab. So einfach ist das!
Jo mei, des hamma scho imma so gmacht!
Da applaudiert das Volk - oder zumindest die AfD auf der Zuschauertribüne des bayerischen Landtags, dass es sogar den Scharfmachern der CSU peinlich wird! Warten wir es mal ab, Herr Seehofer: übernächstes Jahr sitzen diese alternativen Damen und Herren mit Ihnen (oder ihrem Kronprinzen) zusammen auf der Regierungsbank und lenken die Geschicke des "Freistaats" Bayern in eine goldene eiserne Zukunft... wollen wir wetten?

Einen Dreck! Die CSU und ihre Steigbügelhalter bei den freien Wählern haben es vielleicht als eine Zumutung empfunden, wenn die Opposition im bayerischen Landtag von ihrem Rederecht bis zur letzten Sekunde Gebrauch macht und ihnen insgesamt 16 Stunden lang wieder und wieder die Irrsinnigkeit ihres Gesetzes vorhält, welches nicht zur Integration von Einwanderern, sondern zu deren Stigmatisierung und Ausgrenzung beiträgt. Das dieses Gesetz schlussendlich dennoch beschlossen wurde zeugt nur von der Starrsinnigkeit und Beratungsresistenz politischer Hinterwäldler, welche mein oben angeführtes Zitat aus dem Biologieunterricht der siebten Klasse ganz offensichtlich nicht verstanden oder niemals gelernt hatten.

Herr Seehofer, jetzt wo dieses Gesetz beschlossen wurde - wann werde ich mit meiner Ausweisung und Aufforderung zur sofortigen Ausreise rechnen müssen? Ich bin - obwohl in diesem sog. "Freistaat" geboren und Besitzer der deutschen Staatsbürgerschaft - niemals ein "Bayer" gewesen und will auch keiner einer werden!
Die bayerischen Gepflogenheiten des "Schuhplattelns" oder des organisierten Komasaufens "Bierkonsums" gehen mir am Arsch Allerwertesten vorbei. Ich bin kein Christ und hinterfrage den Sinn "stiller" Feiertagsregelungen. Ich besitze keine Tracht und bin auch kein Mitglied im Schützenverein. Vom "Kini" Ludwig II halte ich genauso wenig wie vom diesem Millionärsclub namens "FC Bayern". Und, mein allerschlimmstes Vergehen: ich bin vehementer Kritiker der bisherigen Politik der sog. "Christlich Sozialen Union" und ihres geheiligten Vorsitzenden!
Sprich: ich bin genau dass, wass Sie als "nicht integrierbar" bezeichnen, Herr Seehofer!

Der Vollständigkeit halber will ich Ihnen aber noch verraten, was ich eigendlich bin: ich bin ein Mensch, der seinen Platz in dieser Welt jenseits von Staatszugehörigkeiten oder Kulturprägungen sieht, und ich sehe jeden Anderen als genau dasselbe an. Unabhängig von der Herkunft, der Ausbildung, des Geschlechts, der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung, der Religionszugehörigkeit hat jeder Mensch die gleichen Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, deren einzige Einschränkung im gleichen Recht des jeweils anderen Mitmenschen liegt. Falls Sie sich fragen, wie ich auf solch seltsame Vorstellungen gekommen bin, empfehle ich Ihnen diese Lektüre.
Nach dieser Definition unseres Grundgesetzes gibt es keine Grundlage für eine wie auch immer geartete "Leitkultur". Alle Menschen sind gleich zu behandeln und ihre Freiheit wird nur durch die Freiheit des Anderen beschränkt. Somit darf niemand zu einer Anpassung an andere Traditionen oder Bräuche gezwungen werden, ebensowenig wie es Sonderregelungen bei der Ahndung von Gesetzesverstößen geben darf. Alle Menschen sind gleich - auch wenn Sie, Herr Seehofer, zusammen mit ein paar Ewiggestrigen offenbar immer noch der Meinung sind, manche Menschen wären "gleicher"!

Insofern hoffe ich darauf, dass die Oppositionsparteien im bayerischen Landtag ihre Ankündigungen wahrmachen und Ihre "Lex Bavaria" vor dem Verfassungsgericht zu Fall bringen - auch wenn die SPD in dieser Hinsicht wahrscheinlich im Zweifelsfall wieder mit einer "dreifachen Rolle Rückwärts" glänzen wird, wie üblich... Entsprechende Bestrebungen werde jedenfalls unterstützen!

"Nationalität ist das einzige Hindernis für die Entfaltung der Freiheit."

Lew Nikolajewitsch Tolstoi